Experten: Deutschland läuft Gefahr, die eigenen Klimaziele zu verfehlen
Donnerstag, 20. November 2008
Leipzig. Experten mahnen im Rahmen der Leipziger Messe denkmal mehr Energieeffizienz im Gebäudebestand an. Minister Tiefensee verweist auf erhöhte Fördersätze für die energetische Sanierung von älteren Häusern.Die Effizienz des Energieeinsatzes in Deutschland erhöhte sich seit 1990 lediglich um 29 Prozent. Werde dieses vergleichsweise verhaltene Tempo bei der energetischen Sanierung in Industrie, Verkehr sowie im Gebäudebereich beibehalten, verfehle die Bundesrepublik ihre selbst gestellten Klimaziele bis 2020. Davor warnte am Donnerstag auf der denkmal, Europäische Messe für Restaurierung, Denkmalpflege und Altbausanierung in Leipzig, Stephan Kohler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena). Um den Schadstoffausstoß wie beabsichtigt zu verringern, wäre fortan eine jährliche Energieeffizienzsteigerung von 3,1 Prozent erforderlich, so Kohler auf dem Kongress „Herausforderung Energieeffizienz für Denkmalschutz und Stadtumbau“. Das technische wie wissenschaftliche Potenzial hierzu sei im Lande vorhanden, es müsse jedoch in einer konzertierten Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft energischer umgesetzt werden.
Die größten Reserven dafür lauerten im Gebäudebestand – vor allem in älteren Wohn- und Gewerbebauten. Immerhin ist in Deutschland nahezu jedes 20 Haus denkmalgeschützt. Ihre Besitzer oder Nutzer wurden damit von einem gesetzlich vorgeschriebenen Energiepass, der die energetischen
 Verbrauchsparameter eines Gebäudes ausweist, befreit. Dennoch hält es der dena-Chef für realistisch, auch im Gebäudebestand bis 2020 die energetische Verbrauchsbilanz um 19 Prozent zu verbessern. Hierzu müsse man die Hauseigentümer stärker stimulieren – auch in deren eigenem Interesse. Vier Fünftel aller Kosten, die im Lebenszyklus eines Hauses entstehen, rühren nicht aus Bau oder Abriss, sondern aus dessen Nutzung. Und hiervon wiederum entfällt im Moment die Hälfte allein auf Energiekosten, so Kohler in Leipzig. Diese Aufwendungen lassen sich jedoch durch eine durchdachte und vor allem integrierte energetische Sanierung, die alle Aspekte von der Außenhaut über die Fenster bis zum modernen Heizungssystem umfasst, um 80 bis 90 Prozent senken.
Einen Widerspruch zwischen Denkmalschutz und höherer Energieeffizienz sieht der führende deutsche Experte nicht. Zum einen liegen mittlerweile zahl-reiche Innovationen vor, um auch sehr alte Denkmale, beispielsweise Fach-werkbauten, so zu dämmen, dass ihr optischer Eindruck nicht geschmälert wird. Zum anderen erschwerten gerade ein hoher Energieverbrauch und die daraus resultierende eingeschränkte Nutzbarkeit eines historischen Gebäudes dessen Erhalt. 30 Projekte, die die dena im Rahmen ihres Modellvorhabens „Niedrigenergiehaus im Bestand“ diesbezüglich bundesweit unterstützt, beweisen erstaunliche Effekte. So ist es heute möglich, durch adäquate Maßnahmen selbst in einem Jahrhunderte alten Haus den Primär-energieverbrauch von 200 auf 35 kWh zu reduzieren, ohne das Denkmal als solches in Frage zu stellen.
Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD), der das Eröffnungsreferat der Konferenz hielt, informierte zudem, dass die Bundesregierung im Rahmen ihres CO2-Gebäudesanierungsprogramms die Fördertöpfe für die energetische Aufwertung nachträglich aufgefüllt hat. So schieße man über die ursprünglichen Ansätze hinaus jährlich 500 Millionen zur Unterstützung von Fassadendämmmaßnahmen und Heizungsmodernisierungen zu. Im Schnitt löse allein diese halbe Milliarde weitere private Nachfolgeinvestitionen im Gebäudebestand von 8,5 Milliarden Euro aus. Das sichere beziehungsweise schaffe rund 200.000 Arbeitsplätze.
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