Wirtschaft in Sachsen

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Studie: Frauen haben im Osten bessere Chancen

Samstag, 15. November 2008

Leipzig. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Frauen in Ostdeutschland ein selbstbewussteres Rollenverhältnis haben als Frauen in Westdeutschland. Zum Kongress „Frauen machen Neue Länder“ in Leipzig wurde jetzt in einer neue Studie der Forschungsstand zusammenfasst.

Die Ergebnisse der Studie:

Bildung

  • In Westdeutschland ist der Hauptschulabschluss mit 43,9 Prozent die häufigste Bildungsform,
  • in Ostdeutschland haben nur 31,5 Prozent der Frauen das entsprechende Äquivalent.
  • 43,7 Prozent der Frauen im Osten haben einen Mittelschulabschluss.
  • 21,5 Prozent der Frauen im Westen, aber nur 18,4 Prozent der Frauen im Osten haben die allgemeine Hochschschul- oder Fachhochschulreife.

„Hervorzuheben ist aber zugleich, dass der Prozentsatz der ostdeutschen Frauen ohne allgemeinbildenden Schulabschluss um fast zwei Drittel niedriger ist als in den Ländern des früheren Bundesgebietes“, schreiben die Autoren, Dr. Daniel Erler und Susanne Dähner, in ihrer Studie. Und weiter heißt es: „Insgesamt lässt sich festhalten, dass das allgemeine Bildungsniveau der ostdeutschen Frauen und Männer durchschnittlich höher ist als im Westen, was sich primär daraus erklärt, dass aufgrund der nicht vorhandenen Hauptschulen in der ehemaligen DDR wesentlich mehr Bürgerinnen und Bürger einen mittleren Schulabschluss erreichten, als das in Westdeutschland der Fall war und auch heute noch ist.“ Die Autoren bemerken gleichzeitig kritisch, dass zwar der Anteil Schulabgängerinnen und Schulabgänger mit allgemeiner Hochschulreife in Ostdeutschland
inzwischen wesentlich höher ist als in Westdeutschland, dies sich aber nicht in den ostdeutschen Studienanfängerzahlen niederschlägt.
Die Gründe nach Meinung der Autoren:

  • geringe finanzielle Unterstützung
  • nicht passendes Fächerangebot
  • Lebensumfeld rund um die ostdeutschen Fachhochschulen erscheint zu unattraktiv.

Es sei deshalb auch kein Zufall, „dass außer Sachsen alle neuen Bundesländer negative Wanderungssalden der Studierenden aufweisen, also Studentinnen und Studenten an den Westen »verlieren«“, schreiben die Autoren weiter.

Arbeitsleben
Frauen sind nach Einschätzung der Autoren bis auf die Medizin in den „brotlosen“ Studienbereichen überrepräsentiert, „während sie in den Bereichen mit dem größten Arbeitsmarktbedarf tendenziell unterrepräsentiert sind“. Nachdem die Frauenarbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern im Jahr 1997 mit 21,6 Prozent ihren Höhepunkt erreicht hat, geht sie seitdem langsam wieder zurück und liegt seit 2002 unterhalb der männlichen Arbeitslosenquote. „Frauen scheinen somit überproportional von der relativ guten wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre profitiert zu haben, ein Trend, der sich bei einem prognostizierten Ausbau der unternehmensnahen Dienstleistungen weiter fortsetzen dürfte“, heißt es in der Studie. Die Autoren sehen deshalb auch die staatlichen Unterstützungsprogramm zur Vereinbarkeit von Familie und Arbeitswelt als ostdeutschen Standortvorteil, während erwerbstätige Frauen mit kleinen Kindern im Westen immer noch mit dem Rabenmüttervorurteil zu kämpfen hätten. Nach Meinung der Autoren erweisen sich die in einigen ostdeutschen Bundesländern beibehaltenen Angebote an frühkindlicher Ganztagsbetreuung oder auch das Abitur nach zwölf Jahren deshalb „heute als zukunftsweisend“.
Unterschiede gibt es noch immer im klassischen Rollenverständnis: So stimmen noch immer 24 Prozent der Frauen in den alten Bundesländern der Aussage zu, dass es für Frauen wichtiger sei, dem Mann bei seiner Karriere zu helfen, als eine eigene zu machen. Im Osten liegt die Zustimmung „nur“ bei 13 Prozent.
Dennoch hat die Erwerbsquote westdeutscher Frauen in den vergangenen Jahren zugenommen, wenn sie auch noch unter dem ostdeutschen Niveau liegt.
Angela Merkel zum Trotz sehen die Autoren den mangelnden Zugang von Frauen in wirtschaftliche oder politische Entscheidungspositionen als weltweites Problem an. „Ein Ost-West-Vergleich zeigt aber auch, dass in Ostdeutschland der weibliche Anteil in den obersten Entscheidungsebenen mit 28 Prozent deutlich höher ist als im Westen mit 23 Prozent“, so die Autoren. Dazu kommt, dass die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern im Osten deutlich kleiner sind, als im Westen.

Abwanderung
Geht es in den Medien um das Thema Abwanderung, dann wird in erster Linie über die überproportionale Abwanderung junger Frauen gesprochen. Die Autoren der Studie zeigen, dass nicht überwiegend Frauen aus Ostdeutschland abwandern. Lediglich in der Gruppe der 18 bis 25 Jährigen ist ihre Abwanderung besonders hoch. Die Sachsen sind dabei offensichtlich am stärksten mit ihrer Heimat verwurzelt: „Sachsen erweist sich als das Bundesland, aus dem junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren viel seltener abwandern als aus anderen neuen Bundesländern. Sowohl Frauen als auch Männer haben mit circa 85 Prozent eine im Vergleich zu den restlichen Ländern sehr hohe »Dableibequote«“, schreiben die Autoren. Zugute komme Sachsen vor allem, dass es aufgrund seiner Großstädte Leipzig und Dresden ein für junge Menschen, und besonders Frauen, attraktives städtisches Umfeld und eine differenzierte Bildungsinfrastruktur anbieten könne. Gerade auch aus diesem Grund würden viele junge Menschen, auch aus den alten Bundesländern, in diese Städte zuwandern.

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Kommentare

3 Beiträge zu “Studie: Frauen haben im Osten bessere Chancen”

  1. Multimediaagentur
    Montag, 17. November 2008 @ 14:15

    Sehr interessant zu lesen.

  2. Sachsens Schüler auf Platz 1 beim PISA-Test
    Dienstag, 18. November 2008 @ 15:00

    […] und Technik als Studienrichtung noch zu wenig im Fokus. Erst am Wochenende hatte dies eine neue Studie bestätigt. “Die Lücke muss vor dem Hintergrund des drohenden Mangels an Fachkräften in der […]

  3. Deutschland auf dem Weg zur Rentnerrepublik : Wirtschaft in Sachsen
    Samstag, 23. Januar 2010 @ 10:08

    […] Chemnitz. In keiner anderen Region Europas leben 2030 mehr Rentner im Vergleich zur Gesamtbevölkerung als in Südwestsachsen – zumindest wenn man der Prognose des Statistischen Amtes der Europäischen Gemeinschaften, kurz Eurostat, glaubt. “Dass die Gesellschaft altert ist ein genereller Trend, der seit langem bekannt ist und der auch keine europäische Besonderheit darstellt, sondern sich weltweit zeigt”, sagt Prof. Dr. Bernhard Nauck, Inhaber der Professur Allgemeine Soziologie I der TU Chemnitz. Er bestätigt, dass sich die Situation in Chemnitz derzeit besonders deutlich zeigt, blickt aber nicht pessimistisch in die Zukunft: “Chemnitz hat einen Strukturwandel durchzumachen, wie er beispielsweise auch im Ruhrgebiet seit den 1960-er Jahren verläuft – und dort sieht man langsam Licht. Es ist also möglich, eine solche Situation erfolgreich zu bewältigen.” Während der Professor das Chemnitzer Bild ein bisschen klarer rückt, schweigt die Stadt der Moderne in ihrem Presseportal zu den aktuellen Entwicklungen.Bei den Prognosen der Bevölkerungsentwicklung müsse man immer alle vier Mechanismen beachten, erklärt Nauck: die Sterbefälle und die Geburten sowie die Zu- und die Abwanderung. “Daran, dass die Lebenserwartung weiter steigt, wird niemand etwas ändern. Auch den Einfluss des Staates auf die Geburtenrate sollte man nicht zu optimistisch einschätzen. Hier zeigt der europaweite Vergleich, dass auch  unterschiedliche Ansätze der Familienpolitik kaum etwas an zu niedrigen Kinderzahlen ändern können”, schätzt Nauck ein und ergänzt: “Bei der Abwanderung ist vor allem in Chemnitz in Zukunft mit einer Entspannung zu rechnen, denn die geburtenschwachen Jahrgänge ab 1990 kommen jetzt auf den Arbeitsmarkt und haben hier beste Chancen. Es ist also für sie attraktiv, in der Region Chemnitz zu bleiben.” Im bundesweiten Vergleich gering seien hingegen die Zahlen bei der Zuwanderung, vor allem aus internationaler Perspektive betrachtet. “Deutschland ist insgesamt für ausländische Fachkräfte immer nur zweite Wahl, sie strömen aus verschiedenen Gründen mehr in die angelsächsischen Länder. Hier besteht akuter Handlungsbedarf. Vor allem Ostdeutschland muss wesentlich attraktiver für Zuwanderer werden. Beim Kampf um die klugen Köpfe sind besonders auch Universitäten gefragt. Allerdings sind auf diesem Gebiet Erfolge nicht kurzfristig zu erzielen.” Nauck sieht bei der Bevölkerungsentwicklung in der Region Chemnitz einen weiteren wichtigen Aspekt, der in Zukunft stärker berücksichtigt werden müsste: “Bisher hat die Politik in Chemnitz vor allem auf die Reindustrialisierung gesetzt – was fehlt, sind höher qualifizierte Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor. Die wären aber Voraussetzung, um auch mehr Frauen in der Region zu halten, denn diese sind in den vergangenen Jahren besonders stark abgewandert.” Es sollten attraktive Arbeitsplätze für beide Geschlechter geschaffen werden, sonst müsse man sich auch nicht über geringe Geburtenzahlen wundern, so Nauck. Allerdings haben im November die Autoren der Studie Frauen machen Neue Länder gezeigt, dass nicht überwiegend Frauen aus Ostdeutschland abwandern. Lediglich in der Gruppe der 18 bis 25 Jährigen ist ihre Abwanderung besonders hoch. Die Sachsen sind dabei offensichtlich am stärksten mit ihrer Heimat verwurzelt: „Sachsen erweist sich als das Bundesland, aus dem junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren viel … […]

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