Wirtschaft in Sachsen

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Verbraucherzentralen: Kunden nicht im Regen stehen lassen

Montag, 03. November 2008

Berlin. Das Rettungspaket der Bundesregierung war schnell gestrickt, doch die von der Finanzkrise betroffenen Verbraucher standen mit ihren Sorgen und Nöten bisher allein da. Zwar gibt es im Internet Hilfeforen, etwa für die von der Pleite der Kaupthing-Bank betroffenen Kunden, doch viele Betroffene haben das Gefühl, von der Bundesregierung einfach vergessen worden zu sein. Dass soll sich jetzt ändern. „Verbraucher müssen ins Zentrum des Krisenmanagements von Bundesregierung und Banken rücken!“ Das fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) angesichts der aktuellen Krise an den Finanzmärkten.„Jetzt ist Solidarität mit den Zehntausenden von Sparern gefragt. Es kann nicht sein, dass Schutzschirme für die Großen aufgespannt werden und die Kleinen im Regen stehen“, erklärt Vorstand Gerd Billen. So müssten Banken die Besitzer von Lehman-Zertifikaten unbürokratisch entschädigen. Im Falle der isländischen Kaupthing-Bank müsse die Bundesregierung sicherstellen, dass Kunden ihre Einlagen zurückerhalten. Für die Zukunft fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband eine verbrauchergerechte Finanzmarktarchitektur.
Die Lage ist dramatisch. Über 100.000 Bankkunden haben nach Angaben des vzbv versucht, in den ersten Tagen die kurzfristig vom Bundesverbraucherministerium finanzierte Finanz-Hotline 0800 – 6648588 der Verbraucherzentralen zu erreichen. Gerne hätten die Berater allen Anrufern weitergeholfen. Doch wegen der begrenzten Ausstattung blieben viele in der Warteschleife hängen. Der große Ansturm zeige, wie groß der Bedarf an unabhängiger Beratung ist und wie viele private Sparer von der Finanzkrise betroffen sind. Er steht zugleich im Widerspruch zum Stellenwert, den Verbraucherinteressen bislang im Krisenmanagement der Bundesregierung und der meisten Geldinstitute einnehmen. „Die Banken haben ihre Kunden massenhaft falsch beraten. Sie sind in der Pflicht, hier unbürokratisch Hilfe zu leisten“, erklärt Billen.

Um Falschberatungen künftig vorzubeugen, fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband, jetzt endlich die Beweislast umzukehren und die Verjährungsfrist auf zehn Jahre zu verlängern. „Die Banken brauchen Druck, damit in der Beratung mehr Sorgfalt herrscht“, so Billen. Von der Bundesregierung fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband, mit Island eine Regelung zu treffen, die eine Rückzahlung von Kaupthing-Einlagen an private Sparer garantiert. Die isländische Finanzaufsicht FME hat am Donnerstag auf ihrer Webseite die Entscheidung veröffentlicht, dass der isländische Einlagensicherungsfonds verpflichtet sei, die verbleibenden Einleger der Kaupthing Bank zu entschädigen. Auch die isländische Einlagensicherungseinrichtung hat daraufhin eine entsprechende Meldung auf ihrer Webseite eingestellt. Kunden der Kaupthing Bank, Niederlassung Deutschland, können nun innerhalb von zwei Monaten ihre Ansprüche bei der isländischen Einlagensicherungseinrichtung anmelden. Die Verbraucherzentrale Sachsen hat die betroffenen Kunden in einer Pressemitteilung aufgefordert für die Antragsstellung keine Zeit verstreichen zu lassen.

Über weitergehende Verhandlungen zwischen Deutschland und Island, etwa darüber, was mit den Guthaben passiert, die über die gesetzliche Mindestsicherung hinausgehen, ist im Moment nichts bekannt.

Für die Zukunft fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband eine grundlegende Neuordnung der Finanzmärkte. „Wir brauchen eine verbrauchergerechte Finanzmarktarchitektur. Ausbesserungen im Bestand reichen nicht mehr, notwendig ist eine Kernsanierung“, so Billen. Ein wichtiger Baustein sei dabei die Stärkung der Nachfrageseite. Eine unabhängige Stelle muss die Interessen der Verbraucher gegenüber Politik, Aufsicht und Finanzwirtschaft wahrnehmen. Ihre Aufgabe wäre es, Märkte zu beobachten und zu bewerten, bei Fehlverhalten einzuschreiten und vor Gericht Sanktionen durchzusetzen. Außerdem müssen Bund und Länder die unabhängige Finanzberatung der Verbraucherzentralen auf finanziell solide Füße stellen. „Vertrauen kann nur schaffen, wer Vertrauen genießt“, so Billen. „Eine anbieter- und produktunabhängige Beratung hilft, das verlorene Vertrauen der Verbraucher in die Finanzmärkte zurückzugewinnen.“

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